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Auszüge aus dem Buch

Auch Stefan und Gabriela unternehmen an diesem Tag eine Skitour mit Klettermöglichkeit. Da Michael sich noch nicht entschieden hat, welche Tour er mit Veronika gehen wird, schlägt Gabriela ihm vor, dass die beiden ja die gleiche unternehmen könnten, die Stefan und Gabriela gehen.

Auf dem Weg in die Berge fallen Gabriela die vielen totgefahrenen Tiere am Straßenrand auf. Gabriela sagt zu Stefan: “Der Tod und die Aggression liegen in der Luft.“ Auf dem Parkplatz angekommen, sehen sie Michaels Auto nicht. So wissen sie, die beiden haben eine andere Tour gewählt. “Schade“, denkt Gabriela. Ihr fällt auf, dass sie an diesem Sonntag keine rechte Freude an der Skitour hat. Besonders gegen Nachmittag verliert Gabriela immer mehr den Spaß, ihre Stimmung sinkt. Und ihr Körper fühlt sich schwer an. Gabriela denkt die ganze Zeit an Veronika. Wenn Gabriela nach Hause kommt, will sie ihrer Tochter unbedingt sagen: “Veronika, du musst herausfinden, welcher der richtige Weg für dich ist, und dann auch den Mut haben, ihn zu gehen.“

Als Stefan und Gabriela heimkommen, kommt ihnen Eva entgegen. Sie ist allein zu Hause. Irgendwie sieht sie bedrückt aus. “Eva, was ist los?“, fragt Gabriela sie. “Michael hat angerufen. Veronika ist tot. Abgestürzt nach der Klettertour. Der Hubschrauber ist zwar noch gekommen, aber es hat nichts mehr geholfen. Dann wurde das Telefonat unterbrochen.“

Als Eva den Anruf bekommt, fragt sie sich, was sie jetzt machen soll. Sie kann doch jetzt nicht Englisch lernen, wo doch ihre Schwester tot ist! Aber was soll sie sonst tun? Sie wartet, bis Gabriela und Stefan nach Hause kommen, um ihnen die Nachricht zu überbringen.

Da stehen die drei nun in der Einfahrt zu ihrem Haus - mit dieser Nachricht. Keiner weiß, wo Michael und Veronika jetzt sind, und keiner weiß, was wirklich geschehen ist. Gabrielas erster Gedanke ist: “Ja, das passt. Es ist stimmig. Es ist in Ordnung.“ Später wundert Gabriela sich über diesen Gedanken. Wie kann eine Mutter, die gerade erfahren hat, dass ihr Kind tot ist, als Erstes denken: “Es ist stimmig. Es ist in Ordnung“? In diesem ersten Moment ist bereits das tiefe Wissen aufgeblitzt, dass es Veronikas Weg war und dass daran nichts falsch ist. Es ist alles in Ordnung, so wie es ist. Die höhere Ebene des Formlosen hat sich in diesem ersten Moment bereits gezeigt. Auch der Gedanke: “Wie gut, dass wir wissen, dass es keinen Tod gibt“, tauchte auf.

Dann kommen Gabriela andere Gedanken: “Nach der Klettertour abgestürzt? Wie geht denn das? Wie kann man denn nach einer Klettertour abstürzen? Der Hubschrauber ist gekommen.“ So dreht es sich in ihrem Kopf. Mehr weiß Eva nicht. Sie bekommt eine solche Nachricht und ist alleine zu Hause.

Stefan macht an seinem Auto herum, will irgendetwas auspacken und murmelt vor sich hin: “Das gibt es nicht! Das glaube ich nicht! Das kann nicht sein!“ Noch bevor Gabriela es richtig erfasst und emotional reagieren kann, hört sie Eva sagen: “Jetzt macht mir hier ja keiner ein Drama! Veronika geht es noch am besten!“ Diese Aussage bringt Gabriela schlagartig auf den Boden und richtet sie aus: Kein Drama. Wie recht Eva hat, wie gelassen und weise sie ist. Gabriela hört: “Veronika geht es noch am besten.“ Und ihr Verstand macht im nächsten Augenblick daraus: “Der Hubschrauber ist gekommen, sie liegt im Krankenhaus und es geht ihr gut.“ Das beruhigt sie.

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Der Sternenhimmel

Sie treten hinaus in die Nacht. Es ist ein fantastischer Sternenhimmel. Gabriela bleibt vor der Leichenhalle stehen und schaut in den Himmel, hält Ausschau nach ihrem Kind. Wo es jetzt wohl ist? Ob Veronika bei den Sternen im Himmel ist? In diesem Moment ist ihr Herz tief, tief berührt. Tränen fließen Gabriela über die Wangen, die ersten Tränen. Diese Sterne, diese Nacht, diese Weite, das unbeschreibliche Mysterium des Universums erfasst sie. Lange blickt Gabriela in den Himmel und fühlt die Weite und die Großartigkeit des Universums in sich. “Veronika, mein Kind, wo bist du? Bist du da oben und siehst auf uns herunter?“ Einen kurzen Augenblick ist es, als ob Gabriela lichte, helle Energie, ähnlich einem Lichtschleier, wahrnehmen kann.

Gabriela ist klar, Veronika ist zu einer größeren Liebe heimgegangen. An einen Ort, wo eine größere, umfassendere Liebe ist, als sie und alle anderen ihr geben konnten, und sie gönnt ihr diesen Platz. Heimgegangen, aufgenommen in eine allumfassende, bedingungslose Liebe. Sie alle haben ihr Bestes gegeben, sie alle haben sie sehr geliebt, aber diese Liebe ist nicht zu vergleichen, nicht messbar mit der Liebe, in der sie jetzt ist. Das kann Gabriela deutlich fühlen und das erleichtert ihr Herz. Veronika hatte sich so sehr gewünscht, einfach glücklich zu sein. Ist dieser Wunsch jetzt in Erfüllung gegangen? Wie recht Eva hatte, als sie sagte: “Veronika geht es noch am besten.“ Ja, Gabriela kann es fühlen, Stefan auch. Diese Sternennacht ist ein Traum. Sie ist unglaublich strahlend. Sie werden sie nie vergessen.

Gabriela steht da, die Tränen fließen über ihre Wangen, ihr Herz ist im Himmel - bei Veronika. Schattenhaft nimmt Gabriela Michael wahr, der im Begriff ist zu gehen. Er dreht sich noch einmal um, geht auf sie zu und nimmt sie in seine Arme. Das ist ein schöner, berührender Moment. Sie beide umarmt in der Dunkelheit der Sterne, vereint in stiller Trauer um Veronika. Die Nacht ist dunkel, aber die Sterne leuchten strahlend hell. Die Nacht ist dunkel, ihre geliebte Veronika ist tot. Aber da ist auch dieses Leuchten, dieses Strahlen der Sterne - da ist auch diese andere Ebene des Lichts, des Strahlens, der allumfassenden Liebe, die auch den Tod einschließt. Wie verschlungen die Wege unseres Menschseins doch sind. Lange bleiben sie alle noch stehen. Michael bedankt sich noch einmal, dass sie alle gekommen sind, und auch Gabriela ist sehr froh darüber, dass sie alle zusammen sind und diese Momente gemeinsam erleben und teilen dürfen. Wie schrecklich, wenn es Schuldzuweisungen oder Vorwürfe gegeben hätte.

Das Gefühl dieser Situation, wie Gabriela da steht und in die Sterne blickt, wird sie noch oft wieder und wieder erleben. Hinter ihr, in der Leichenhalle, liegt der tote Körper ihres Kindes. Doch ihre Aufmerksamkeit ist in der Weite, bei den Sternen. Dort kann Gabriela Veronika fühlen. Selbst heute, wenn sie sich erinnert, ist sie tief davon berührt und Tränen fließen über ihre Wangen, diese Weite, dieser Himmel, die Sterne, dieser stille Schmerz, mein Kind.

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Psychologische Sichtweise

Schuld

Viele Menschen geraten beim Tod eines geliebten Menschen in die sogenannte “Schuldfalle“. Sie fühlen sich irgendwie schuldig, so als hätten sie den Tod verhindern können oder müssen. Ich habe erlebt, dass Geschwister noch nach dreißig Jahren ihr Recht auf ein gutes Leben nicht wieder in Besitz genommen hatten, weil damals ein Geschwisterchen starb und sie sich immer noch dafür schuldig fühlten. Oft denken Geschwister, die ihre Eltern sehr leiden sehen, es wäre besser gewesen, wenn sie anstelle des anderen gestorben wären, denn sie fühlen sich schuldig, dass sie noch leben. Dieses Denken und die daraus folgende Haltung prägt dann sehr wesentlich ihr gesamtes weiteres Leben. Es gibt viele Menschen, die sich schuldig dafür fühlen, dass sie leben, während ein anderer gestorben ist.

Die meisten Mitglieder einer Familie, insbesondere die Eltern, wären bereit, anstelle ihres Kindes zu sterben. Nur diese Frage stellt sich nicht, denn wir werden nicht gefragt: “Einer aus der Familie muss sterben, wer will das sein?“ Im göttlichen Plan steht fest, wer es sein wird, wessen Weg hier in diesem Körper zu Ende ist. Wir können nicht einfach von hier nach dort wechseln, sondern müssen hier unsere Lektionen lernen und unsere Aufgaben erfüllen.

Die Frage lautet nicht:

“Wärst du bereit, für dein Kind zu sterben?“

Die Frage lautet:

“Bist du bereit, für dein Kind zu leben?“

Der Tod vollendet das Leben. Aber wie kann er es vollenden, wenn du - aus welchen Gründen auch immer - dein Leben nicht gelebt hast?

Bist du bereit zu leben - obwohl oder gerade weil ein Nahestehender gestorben ist?

Bist du bereit, du selbst zu sein? Deshalb bist du hier.

Bist du bereit, dass der Tod eines Tages dein Leben vollenden darf, weil du es gelebt hast? Stell dir vor, der Verstorbene sieht, dass du ein glückliches Leben führst.

Glaubst du, es macht ihn glücklich oder traurig? Und jetzt stell dir vor, der Verstorbene sieht, dass du leidest, dich quälst, dein Leben “wegwirfst“.

Glaubst du, es macht ihn glücklich oder traurig?

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Zum Nachspüren

Verbinde dich mit dem Verstorbenen - mit seiner Seele - und frage, was er sich für dich wünscht.

Bist du bereit, die Antwort zu hören und ihm diesen Gefallen zu tun, ihm diesen Wunsch zu erfüllen?

Bist du bereit zu leben - aus Liebe zu dem Verstorbenen und aus Liebe zu dir?

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Spirituelle Sichtweise

Leben ist unsterblich Das ewige Leben, das EINE, nimmt zahllose vergängliche Formen an.

In Wahrheit wirst du weder geboren, noch stirbst DU. Das, was geboren wird und stirbt, ist der Körper. Der Körper und die in diesem Körper gemachten Erfahrungen lösen sich auf.

Gewahrsein wird weder geboren noch stirbt es.

Es gibt kein Kind, das gestorben ist, und es gibt keine Mutter, deren Kind gestorben ist.

Die Rollen Mutter-Kind haben sich aufgelöst, unsere Verbindung ist wieder die, die sie war, bevor wir Mutter und Kind waren. Das, was gestorben ist, ist der Körper und die Rolle Christina.

Du bist nicht die Person, die du glaubst zu sein. Du bist nicht dein Körper.

Das Ewige in dir ist formloses Gewahrsein. Dieses Gewahrsein nimmt für eine begrenzte Zeit die Form eines bestimmten Körpers und einer bestimmten Person an. Die Person nimmt verschiedene Rollen ein, zum Beispiel die einer Mutter oder die eines Kindes. Das ist die Oberfläche, es ist die Welt der Formen, in der wir Bindungen als Mutter, Tochter, Mann, Frau und so weiter eingehen. Jenseits dieser Form sind und bleiben wir formloses, reines, ewiges Gewahrsein. Löst sich beim Tod die Form auf, bist du, was du immer warst und immer sein wirst: Gewahrsein - nur jetzt ohne die Form des Körpers.

Du gießt Wasser in eine Tasse. Die Tasse zerbricht. Was geschieht mit dem Wasser? Das Wasser bleibt Wasser, egal in welcher Tasse es ist, egal ob es in einer Tasse ist oder nicht. Vielleicht fließt es auf den Tisch, ein Teil auf den Boden, einen Teil nimmt das Tuch auf, mit dem du es aufwischst. Und dennoch: Es bleibt immer Wasser. So bleibt auch Gewahrsein oder Atman, das was es ist, wenn das Gefäß, der Körper zerbricht. Gewahrsein, Atman gibt dem Körper Leben. Weicht das Leben aus dem Körper, ist Gewahrsein, Atman - Gewahrsein ohne Körper.

Körper entstehen, Körper vergehen. Dein Körper zerfällt und geht wieder in seine Ursprungsform, die Elemente, zurück. Doch du bist nicht dein Körper. Deine Essenz geht dorthin, wo sie herkommt, zur Quelle allen Seins, zu Gott.

“Staub bist du und zum Staub kehrst du zurück. Der Herr aber wird dich auferwecken.“ (Aus der kirchlichen Begräbnisfeier)

Das Leben ist ewig, es beginnt nicht, es endet nicht. Es war schon immer und wird immer sein, in den verschiedensten Formen oder formlos.

“At death, one goes back to where one came from - Home.“

“Der Tod bringt uns dahin zurück, wo wir herkommen. - Nach Hause.“

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